Krisengeschpfe
Krisengeschpfe
1 Dem Einwandfreien passiert tatschlich nichts. Theodor W. Adorno ber die Kunst lsst sich merkwrdig wenig Genaues und 2 kinderleicht viel Ungefhres schreiben. Friedrich Drrenmatt Es ist etwas Seltsames, ein Buch zu lesen. Das trifft womglich auf alle Bcher zu, fr literarische Texte gilt es aber in besonderer Weise. Man wei nicht recht, wie einem dabei geschieht. Soviel scheint allerdings festzustehen: Wer Literatur liest, erfreut sich daran, dass einem etwas zu verstehen gegeben wird. Genauso gilt jedoch das Gegenteil. Wer Literatur liest, versteht immer auch nicht. Es ist beides zugleich, was den eigentmlichen Reiz literarischer Texte ausmacht. Nicht alles ist zu verstehen, und dennoch versteht man immer etwas. Das stellte noch keinen entscheidenden Unterschied zwischen literarischen und nichtlite- rischen Texten dar, wrden Leser von Literatur das Gelesene nicht derart auf sich beziehen, dass sie die Lektre regelmig verwirrt, beunruhigt, vergngt, erheitert. Literatur lsst sich nicht unbeteiligt konsumieren; sie macht etwas mit ihren Lesern, nicht einfach, weil sie auergewhnlich gemacht ist, sondern weil sie einer Erfahrung stattgibt, die dem Erfahrenden nicht uerlich ist. Das ist das Merkwrdige: Literatur greift etwas an und in uns auf, das irgendwie wesentlich zu dem zu gehren scheint, was uns ausmacht. Dieses Buch behauptet, die - sache hierfr liege in einer Beschaffenheit, die Literatur mit den Lesern teilt: ein Krisengeschpf zu sein. Denn beide, sowohl Literatur als auch ihre Leser, sind 1 Adorno 1975: 45. Zwei Anmerkungen sind zu Beginn notwendig. ... Show More Show Less