Der Dimorphismus der Wahrheit

1. Bekanntlich ist das Leben selber bedroht; aber nur bei naiver Betrachtung ist die Wahrung der Lebensmglichkeit selbstverstndliche Aufgabe des Rechts. Nicht nur praktisches Unvermgen, sondern auch philosophische Haltung steht dem ent gegen. Die philosophische Betrachtung des Rechts teilt sich auf in eine solche, deren Gegenstand das geltende Recht ist, und eine solche, die sich mit einem mg lichst guten, richtigen Recht beschftigt. Diese beiden Richtungen haben ihr Feld nicht aufgeteilt, sondern kmpfen um Terrain. Die erste, die wir Relativismus nennen, bestreitet der zweiten, die hier unter der Bezeichnung Universalismus oder dem alten Wort Naturrecht erscheint, den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und hat sich hiermit auch durchgesetzt. Es hat sich eine Hierarchie gebildet, nach der der kontextbezogene Relativismus stichhaltiger, abgesicherter, zuverlssiger ist als das universalistische Naturrecht Mit dieser Hierarchie wird der Einsatz des Rechts zugunsten der Lebenserhaltung behindert. Wir wollen dieser Rangordnung die Idee entgegensetzen, da Relativismus und Universalismus zwei korrespondierende gei stige Gestalten sind, von denen die eine nicht ohne Schaden fr das Ganze ver nachlssigt werden darf. Wir werden die beiden Auffassungen in zwei Hemi sphren des Geistes einordnen, die nur bei Ausgeglichenheit das Ganze reprsen tieren und deren einseitige Bevorzugung die notwendige Polaritt ignoriert und ein Irrweg ist Wenn wir die eine Auffassung Relativismus nennen, knnten wir die zweite entsprechend als Absolutismus bezeichnen, was aber zu Miverstndnissen ein laden wrde. Stattdessen werden wir von Universalismus sprechen - oder synonym das Wort Naturrecht benutzen, obwohl in diesem viele Unschrfen liegen.